Bestätigung des Reiseveranstalters kann "bestätigte Buchung" i.S.d. EU-VO sein
Aktualisiert: 5. Mai 2022
Erhält Fluggast vom Reiseveranstalter Reisebestätigung mit durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug, verfügt er über "bestätigte Buchung" gem. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a EU-VO 261/2004.
Gilt auch dann, wenn Reiseveranstalter vom ausführenden Luftfahrtunternehmen gar keine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat.
Im Verhältnis zum Passagier ist Fluggesellschaft dann "ausführendes Luftfahrtunternehmen", sogar wenn Reiseveranstalter gar keine Buchung für Fluggast vorgenommen hat.
Planmäßige Ankunftszeit i.S.d. EU-VO 261/2004 kann sich aus Reisebestätigung d. Veranstalters ergeben.
Um mehr als eine Stunde vorverlegter Flug gilt als annulliert.
Keine Halbierung der Ausgleichszahlung gem. Art. 7 Abs. 2 EU-VO 261/2004 möglich.
MItteilung über Vorverlegung des Fluges kann Angebot einer ersatzweisen Beförderung sein.
Luftfahrtunternehmen muss Fluggast informieren, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verlangen kann und welche Unterlagen er seinem Verlangen gegebenenfalls beifügen soll. Luftfahrtunternehmen muss den Fluggast jedoch nicht über den genauen Betrag der Ausgleichszahlung unterrichten.
Leitsätze der Kanzlei Woicke
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
21. Dezember 2021(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Luftverkehr – Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – Gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen – Art. 2 und 3 – Begriffe ‚ausführendes Luftfahrtunternehmen‘, ‚bestätigte Buchung‘ und ‚planmäßige Ankunftszeit‘ – Art. 5, 7 und 8 – Vorverlegung der Abflugzeit gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Abflugzeit – Qualifizierung – Kürzung der Ausgleichszahlung – Angebot einer anderweitigen Beförderung – Art. 14 – Verpflichtung zur Information der Fluggäste über ihre Rechte – Umfang“
In den verbundenen Rechtssachen C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20
betreffend vier Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eines davon eingereicht vom Landesgericht Korneuburg (Österreich) mit Entscheidung vom 16. Juni 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2020 (C‑270/20), und drei vom Landgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidungen vom 17. Februar 2020 (C‑146/20) sowie vom 6. April 2020 (C‑188/20 und C‑196/20), beim Gerichtshof eingegangen am 20. März 2020 (C‑146/20), am 30. April 2020 (C‑188/20) und am 6. Mai 2020 (C‑196/20), in den Verfahren
AD,
BE,
CF
gegen
Corendon Airlines (C‑146/20)
und
JG,
LH,
MI,
NJ
gegen
OP als Liquidatorin der Azurair GmbH,
Streithelferin:
alltours flugreisen GmbH (C‑188/20),
und
Eurowings GmbH
gegen
flightright GmbH (C‑196/20)
und
AG,
MG,
HG
gegen
Austrian Airlines AG (C‑270/20)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot und M. Safjan (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2021,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von JG, LH, MI und NJ, vertreten durch Rechtsanwalt H. Hopperdietzel,
– der Eurowings GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte Y. Pochyla und W. Bloch,
– von AG, MG und HG, vertreten durch Rechtsanwältin F. Puschkarski,
– der Corendon Airlines und von OP als Liquidatorin der Azurair GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt N. Serfort,
– der flightright GmbH, zunächst vertreten durch Rechtsanwalt T. Mauser, dann durch die Rechtsanwälte R. Weist und M. Michel,
– der Austrian Airlines AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Krones,
– der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann, J. Heitz, U. Kühne und U. Bartl als Bevollmächtigte,
– der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, G. Kunnert und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, R. Pethke und G. Braun als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. September 2021
folgendes
Urteil
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 Buchst. b, f bis h und l, Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b sowie Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1, berichtigt im ABl. 2019, L 119, S. 202).
2 Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Fluggästen und Fluggesellschaften (C‑146/20, C‑188/20 und C‑270/20) sowie zwischen einer Fluggesellschaft und der flightright GmbH als Rechtsnachfolgerin von Fluggästen (C‑196/20) wegen Ausgleichszahlungen an die Fluggäste nach der Verordnung Nr. 261/2004.
Rechtlicher Rahmen
3 Die Erwägungsgründe 1 und 20 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:
„(1) Die Maßnahmen der [Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
…
(20) Die Fluggäste sollten umfassend über ihre Rechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen informiert werden, damit sie diese Rechte wirksam wahrnehmen können.“
4 Art. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
b) ‚ausführendes Luftfahrtunternehmen‘ ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt;
…
f) ‚Flugschein‘ ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde;
g) ‚Buchung‘ den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde;
h) ‚Endziel‘ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;
…
l) ‚Annullierung‘ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.“
5 In Art. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:
„(1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der [Union] ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.
(2) Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste
a) über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und – außer im Fall einer Annullierung gemäß Artikel 5 – sich
– wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich (einschließlich auf elektronischem Wege) von dem Luftfahrtunternehmen, dem Reiseunternehmen oder einem zugelassenen Reisevermittler angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden
oder, falls keine Zeit angegeben wurde,
– spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden oder
b) von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür.
…“
6 Art. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt in Abs. 1:
„Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.“
7 In Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:
„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
…
b) 400 [Euro] bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
…
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.
(2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit
…
b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 [km] und 3 500 km nicht später als drei Stunden …
…
nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen.
…“
8 Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:
„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen
a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit
– einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,
b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder
c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.“
9 Art. 13 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:
„In Fällen, in denen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung leistet oder die sonstigen sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt, kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht des Luftfahrtunternehmens beschränkt, nach geltendem Recht bei anderen Personen, auch Dritten, Regress zu nehmen. Insbesondere beschränkt diese Verordnung in keiner Weise das Recht des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Erstattung von einem Reiseunternehmen oder einer anderen Person zu verlangen, mit der es in einer Vertragsbeziehung steht. Gleichfalls kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht eines Reiseunternehmens oder eines nicht zu den Fluggästen zählenden Dritten, mit dem das ausführende Luftfahrtunternehmen in einer Vertragsbeziehung steht, beschränkt, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen gemäß den anwendbaren einschlägigen Rechtsvorschriften eine Erstattung oder Entschädigung zu verlangen.“
10 Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:
„Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, stellt jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis zur Verfügung, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung dargelegt werden. Ferner wird allen von einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen ein entsprechender Hinweis zur Verfügung gestellt. Die für die Kontaktaufnahme notwendigen Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 werden dem Fluggast ebenfalls in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C‑146/20
11 Die Fluggäste AD, BE und CF buchten über ein Reisebüro eine Pauschalreise nach Antalya (Türkei). Im Anschluss an diese Buchung bestätigte die Fluggesellschaft Corendon Airlines, dass der Abflug von Düsseldorf (Deutschland) nach Antalya am 18. Mai 2018 um 10.20 Uhr stattfinden werde. Später verlegte Corendon Airlines den Flug unter Beibehaltung der Flugnummer um eine Stunde und 40 Minuten auf 8.40 Uhr am gleichen Tag vor.
12 Da die Fluggäste den vorverlegten Flug verpassten, erhoben sie vor dem Amtsgericht Düsseldorf (Deutschland) Klage gegen Corendon Airlines und verlangten u. a. eine Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004. Zur Stützung ihrer Klage machten sie geltend, sie seien über die Vorverlegung ihres Fluges, bei der es sich in Wirklichkeit um dessen „Annullierung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung gehandelt habe, nicht informiert worden. Corendon Airlines trug hingegen vor, die Fluggäste seien am 8. Mai 2018 vom Reiseunternehmen über die Vorverlegung ihres Fluges informiert worden.
13 Das Amtsgericht Düsseldorf stufte die Vorverlegung des Fluges um eine Stunde und 40 Minuten als geringfügig ein und sah darin keine „Annullierung“ des Fluges; es wies daher die Klage der Fluggäste ab.
14 Die Fluggäste legten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf Berufung beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland), dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑146/20, ein. Dieses Gericht hat Zweifel, ob der vom Amtsgericht vertretene Standpunkt mit der Verordnung Nr. 261/2004 vereinbar ist.
15 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Liegt eine Annullierung eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vor, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen den im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten Flug mit planmäßigem Abflug um 10.20 Uhr (Ortszeit) auf 8.40 Uhr (Ortszeit) desselben Tages vorverlegt?
2. Handelt es sich bei der Mitteilung zehn Tage vor Reisebeginn über die Vorverlegung eines Fluges von 10.20 Uhr (Ortszeit) auf 8.40 Uhr (Ortszeit) desselben Tages um das Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung?
Rechtssache C‑188/20
16 LH buchte für sich und andere Fluggäste bei einem Reisebüro eine Pauschalreise nach Side (Türkei), die einen Flug von Düsseldorf nach Antalya und zurück einschloss.
17 In einem als „Reiseanmeldung“ bezeichneten Dokument, das LH übermittelt wurde, waren zwei Flüge der Fluggesellschaft Azurair GmbH aufgeführt, und zwar erstens der Flug ARZ 8711 von Düsseldorf nach Antalya am 15. Juli 2018 mit Abflug um 6.00 Uhr und Ankunft um 10.30 Uhr, und zweitens der Flug ARZ 8712 von Antalya nach Düsseldorf am 5. August 2018 mit Abflug um 12.00 Uhr und Ankunft um 14.45 Uhr. Neben diesen Angaben enthielt das Dokument in Großbuchstaben folgenden Hinweis: „Voraussichtliche Flugzeiten – Bitte uebe Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit die Flug in Ihren Tickets.“ (sic)
18 Die Fluggäste nahmen die Flüge mit den in der Reiseanmeldung angegebenen Nummern wahr. Auf dem Hinflug erreichten sie Antalya jedoch am 16. Juli 2018 um 1.19 Uhr und beim Rückflug startete das Flugzeug am 5. August 2018 um 5.10 Uhr. Daher begehrten die Fluggäste vor dem Amtsgericht Düsseldorf von Azurair eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004. Unter Berufung auf die Angaben in der „Reiseanmeldung“ machten sie geltend, der Hinflug habe sich um mehr als drei Stunden verspätet, und der Rückflug sei annulliert worden, denn seine Vorverlegung sei als „Annullierung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung einzustufen.
19 Azurair machte geltend, sie habe die fraglichen Flüge nicht zu den in der „Reiseanmeldung“ angegebenen Zeiten geplant; ihre Planung entspreche vielmehr den Angaben in der „Reisebestätigung/Rechnung“, die sie am 22. Januar 2018 der alltours flugreisen GmbH in deren Eigenschaft als Reiseunternehmen übersandt habe.
20 Demnach habe der Hinflug am 15. Juli 2018 um 20.05 Uhr starten und am Folgetag um 0.40 Uhr landen sollen; der Rückflug habe am 5. August 2018 um 8.00 Uhr starten und um 10.50 Uhr landen sollen. Der Hinflug habe sich daher gegenüber den Angaben im Flugplan nicht um drei Stunden oder mehr verspätet. Der Rückflug sei zwar in der Tat früher erfolgt als im Flugplan angegeben, aber diese Vorverlegung stelle keine „Annullierung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. l der Verordnung dar. Überdies müsste eine etwaige Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung gekürzt werden, weil die Fluggäste nur zwei Stunden und 50 Minuten vor ihrer planmäßigen Ankunftszeit an ihrem Endziel angekommen seien.
21 Das Amtsgericht Düsseldorf wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die „Reiseanmeldung“ stelle keine Bestätigung einer Buchung im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 dar, weil aus ihr klar hervorgehe, dass es sich lediglich um vorläufige Flugzeiten gehandelt habe. Im Übrigen gebe es kein Dokument, das als „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Verordnung angesehen werden könne.
22 Die Fluggäste legten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf beim Landgericht Düsseldorf, dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑188/20, Berufung ein. Dieses Gericht hat Zweifel, ob der vom Amtsgericht vertretene Standpunkt mit der Verordnung Nr. 261/2004 vereinbar ist.
23 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Verfügt ein Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004, wenn er von einem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird, ohne dass das Reiseunternehmen eine Platzreservierung für diesen Flug bei dem betreffenden Luftfahrtunternehmen vorgenommen und von diesem bestätigt erhalten hat?
2. Ist ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast bereits dann als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 anzusehen, wenn dieser Fluggast zwar in einer Vertragsbeziehung zu einem Reiseunternehmen steht, das ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen hat, das Reiseunternehmen jedoch für den Fluggast keinen Sitzplatz reserviert und damit keine Vertragsbeziehung zu dem Luftfahrtunternehmen im Hinblick auf diesen Flug begründet hat?
3. Kann sich die „planmäßige Ankunftszeit“ eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 für die Zwecke der Ausgleichsleistung wegen Annullierung oder großer Ankunftsverspätung aus einem „anderen Beleg“ ergeben, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat, oder ist dafür auf den Flugschein gemäß Art. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 261/2004 abzustellen?
4. Liegt eine Annullierung eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vor, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen den im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten Flug innerhalb desselben Tages um mindestens zwei Stunden und zehn Minuten vorverlegt?
5. Kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung kürzen, wenn sich der Zeitraum der Vorverlegung eines Fluges innerhalb der dort genannten Zeiträume bewegt?
6. Handelt es sich bei einer Mitteilung vor Reisebeginn über die zeitliche Vorverlegung eines Fluges um das Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004?
7. Verpflichtet Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu, den Fluggast darüber zu unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er welchen nach der Entfernung gestaffelten Betrag verlangen kann und gegebenenfalls welche Unterlagen er seinem Verlangen beifügen soll?
Rechtssache C‑196/20
24 Am 24. Oktober 2017 buchten zwei Fluggäste bei einem Reisebüro eine Pauschalreise einschließlich eines Fluges von Hamburg (Deutschland) nach Palma de Mallorca (Spanien) und zurück.
25 Die Fluggäste erhielten vom Reiseunternehmen ITS ein als „Reiseanmeldung“ bezeichnetes Dokument; demnach sollte der Hinflug unter der Nummer EW 7582 am 22. Mai 2018 von der Fluggesellschaft Eurowings mit der Abflugzeit 7.30 Uhr und der Ankunftszeit 10.05 Uhr durchgeführt werden.
26 Die Fluggäste nahmen den Flug mit dieser Nummer wahr. Sie erreichten ihr Endziel jedoch nicht um 10.05 Uhr, sondern um 21.08 Uhr. Sie traten ihre etwaigen Ausgleichsansprüche nach der Verordnung Nr. 261/2004 an flightright ab, die beim Amtsgericht Düsseldorf Klage mit der Begründung erhob, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung für den fraglichen Flug mit planmäßiger Ankunft um 10.05 Uhr verfügt hätten.
27 Eurowings hielt dem entgegen, dass den Fluggästen eine bestätigte Buchung für den Flug EW 7582 mit planmäßiger Ankunft um 19.05 Uhr vorgelegen habe. Folglich habe die Verspätung weniger als drei Stunden betragen, so dass kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der Verordnung Nr. 261/2004 bestehe.
28 Das Amtsgericht Düsseldorf gab der Klage von flightright mit der Begründung statt, dass die vom Reiseunternehmen ITS ausgestellte „Reiseanmeldung“ eine Buchungsbestätigung im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. f darstelle. Die den betreffenden Fluggästen übermittelte „Reiseanmeldung“ stelle einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g dar; diese Bestimmung verlange nur, dass die Buchung vom Reiseunternehmen akzeptiert worden sei. Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, gab es kein Dokument, das als „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Verordnung angesehen werden konnte.
29 Eurowings legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf Berufung beim Landgericht Düsseldorf, dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑196/20, ein. Dieses Gericht wirft im Wesentlichen die Frage auf, ob eine von einem Reiseunternehmen ausgestellte Buchungsbestätigung, die nicht auf einer Buchung bei dem auf Ausgleichsleistung in Anspruch genommenen Luftfahrtunternehmen beruht, als „bestätigte Buchung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 angesehen werden kann.
30 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Verfügt ein Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004, wenn er von einem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird, ohne dass das Reiseunternehmen eine Platzreservierung für diesen Flug bei dem betreffenden Luftfahrtunternehmen vorgenommen und von diesem bestätigt erhalten hat?
2. Ist ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast bereits dann als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 anzusehen, wenn dieser Fluggast zwar in einer Vertragsbeziehung zu einem Reiseunternehmen steht, das ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen hat, das Reiseunternehmen jedoch für den Fluggast keinen Sitzplatz reserviert und damit keine Vertragsbeziehung zu dem Luftfahrtunternehmen im Hinblick auf diesen Flug begründet hat?
3. Kann sich die „planmäßige Ankunftszeit“ eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 für die Zwecke der Ausgleichsleistung wegen Annullierung oder großer Ankunftsverspätung aus einem „anderen Beleg“ ergeben, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat, oder ist dafür auf den Flugschein gemäß Art. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 261/2004 abzustellen?
Rechtssache C‑270/20
31 Die Fluggäste AG, MG und HG buchten bei der Fluggesellschaft Austrian Airlines einen Flug von Wien (Österreich) nach Kairo (Ägypten). Die planmäßige Abflugzeit war 22.15 Uhr am 24. Juni 2017, die planmäßige Ankunftszeit 1.45 Uhr des Folgetags. Am Tag des Fluges annullierte Austrian Airlines den Flug und bot den Fluggästen einen Flug mit Abflug am selben Tag um 10.20 Uhr und Ankunft in Kairo um 13.50 Uhr an, was diese akzeptierten. Sie erreichten ihr Endziel somit elf Stunden und 55 Minuten vor der ursprünglich vorgesehenen planmäßigen Ankunftszeit.
32 Austrian Airlines erbrachte an jeden der Fluggäste außergerichtlich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 200 Euro, wobei sie den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Betrag der Ausgleichsleistung gemäß deren Art. 7 Abs. 2 Buchst. b um 50 % kürzte.
33 Die Fluggäste erhoben beim Bezirksgericht Schwechat (Österreich) eine Klage gegen Austrian Airlines auf vollständige Entschädigung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004. Zur Stützung ihrer Klage machten sie geltend, sie seien zwar nicht verspätet in Kairo eingetroffen, doch ihre vorzeitige Ankunft habe sie ebenso geschädigt wie eine erhebliche Verspätung; sie hätten das Angebot von Austrian Airlines, einen früheren Flug zu nehmen, nur angenommen, weil sie durch die von dieser Fluggesellschaft angebotene Alternative zwei Urlaubstage verloren hätten.
34 Das Bezirksgericht Schwechat wies die Klage mit der Begründung ab, aus dem klaren Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ergebe sich, dass diese Bestimmung auch dann anwendbar sei, wenn der Fluggast sein Endziel mit einem früheren Flug erreiche.
35 Die Fluggäste in der Rechtssache C‑270/20 legten gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat beim Landesgericht Korneuburg (Österreich), dem vorlegenden Gericht in dieser Rechtssache, Berufung ein. Dieses Gericht wirft die Frage auf, ob Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004, wonach die Ausgleichszahlung bei einer Verspätung von nicht mehr als drei Stunden um 50 % gekürzt werden darf, auch dann angewendet werden kann, wenn die Ankunft früher erfolgt als im ursprünglichen Flugplan vorgesehen. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass ein erheblich früherer Abflug für den Fluggast zu Unannehmlichkeiten führen könne, die gemessen an den in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien ebenso schwerwiegend seien wie eine verspätete Ankunft.
36 Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Korneuburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass das Luftfahrtunternehmen den Anspruch auf Ausgleichsleistung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung auch dann kürzen kann, wenn den Fluggästen infolge Annullierung des gebuchten Fluges ein Alternativflug angeboten wird, dessen planmäßige Abflugzeit und dessen planmäßige Ankunftszeit jeweils elf Stunden und 55 Minuten vor den Flugzeiten des annullierten Fluges liegen?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20
37 Mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑188/20, die mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑196/20 identisch ist, möchte das Landgericht Düsseldorf wissen, ob Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass der Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung verfügt, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird, obwohl das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung für die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat.
38 Im vorliegenden Fall geht aus den Vorlageentscheidungen in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 hervor, dass das den Fluggästen vom Reiseunternehmen übermittelte Dokument andere Informationen über die Abflug- und Ankunftszeiten der Flüge enthielt als die, die das Luftfahrtunternehmen dem Reiseunternehmen zuletzt übermittelt hatte. Die letztgenannten Informationen wurden den Fluggästen hingegen nicht übermittelt, so dass sie nur über die Informationen in dem vom Reiseunternehmen übermittelten Dokument verfügten.
39 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 deren Anwendungsbereich regelt und in Abs. 2 Buchst. a bestimmt, dass der Fluggast über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen muss.
40 In der Verordnung Nr. 261/2004 wird der Begriff „bestätigte Buchung“ nicht definiert. Der Begriff „Buchung“ wird hingegen in Art. 2 Buchst. g der Verordnung definiert als der „Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde“.
41 Aus dieser Definition ergibt sich, dass eine Buchung aus einem „anderen Beleg“ bestehen kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung entweder vom Luftfahrtunternehmen oder vom Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde. Daraus folgt, dass eine vom Reiseunternehmen akzeptierte und registrierte Buchung den gleichen Wert hat wie eine vom Luftfahrtunternehmen akzeptierte und registrierte Buchung.
42 Verfügt der Fluggast über einen vom Reiseunternehmen ausgestellten „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004, kommt dieser andere Beleg folglich einer „Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung gleich.
43 Im vorliegenden Fall geht das vorlegende Gericht in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 von der Prämisse aus, dass die den Fluggästen in diesen Rechtssachen vom Reiseunternehmen übermittelten Reiseanmeldungen einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 darstellen. Speziell in der Rechtssache C‑188/20 wird jedoch, wie den Angaben zum Sachverhalt zu entnehmen ist, in der Anmeldung ausdrücklich erwähnt, dass es sich um voraussichtliche Flugzeiten handelt. Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht zu klären, ob die Anmeldungen tatsächlich eine akzeptierte und registrierte Buchung im Sinne von Art. 2 Buchst. g darstellen.
44 Sollte dies zu bejahen sein, möchte das vorlegende Gericht speziell wissen, ob eine Buchung auch vom Reiseunternehmen und nicht nur vom Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 „bestätigt“ werden kann.
45 Hierzu ist festzustellen, dass aus Art. 3 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung nicht hervorgeht, ob das Reiseunternehmen eine Buchung bestätigen kann.